Patrick hat mir dieses Büchlein kürzlich geschickt, und hat mir sehr gut gefallen, darin zu blättern. Cooler Stil, coole Schreibe, Kurzgeschichten und Poems, frisch und brutal ehrlich.

"Kartschevco"
"und Anderes aus der spirituell unkorrekten Ecke der Küche"
von Patrick Aigner
"Texte, Schritte, rostige Nägel eines spirituellen Weges. Keine Beschönigungen! Keine Klugscheißereien."
Leseprobe
Häschen hüpf
Hinter ihr Bücher. Vor ihr Rechnungen. Tageslicht. Ohne Worte durch den Vormittag. Letzte außergerichtliche Mahnung. Zweite Mahnung. Hilbigs Provisorium aufgeschlagen, umgedreht auf dem Sofa. Seit Wochen. Drei Tage Alkohol hinter sich. Das sollte erst mal reichen. Keinen größeren Streit angefangen. Gut. Hier ist nichts. Ein Lächeln: Wo werden wir sein, wenn der Sommer vorbei ist? Nein, jetzt keine englischen Texte ins Deutsche zerren. Gesterntag.
Der Kaffee fängt mich wieder auf, denkt sie. Doch wofür? Wofür fängt er mich wieder auf? Zwei Zimmer könnte man als aufgeräumt bezeichnen. Die Küche müsste gemacht werden. Ein Topf mit Nudelsuppenresten auf dem Herd. Gestern seit langem mal wieder gekotzt. Ekelhaft so ein Topf! So schön ekelhaft. Gummihandschuhe finden sich hier nicht, jedoch in ihrem Kopf. Ist etwas falsch daran, Gummihandschuhe im Kopf zu haben? Tränen, tränenlos, Tränen, tränenlos. So ein Käse. Worüber sollte man auch weinen? Können Eltern ihre Kinder wirklich Vivian nennen? Vielleicht hatte sie sich eben verhört. Vivian, komm her! Vivian, komm sofort her! Gott im Himmel, bin ich froh, dass ich nicht diese Vivian bin. Dann schon lieber verklebter Topf. Vivian sein, und den ganzen Scheiß noch vor sich haben, nur um zu sehen, wie alles zu nichts führt. Ach, sind wir heute wieder die Königin der Melancholie? Erbsenprinzesschen mit Katzenjammer und Gummihandschuh im Kopf? Die Kakteen müssten rein. Es wird kälter werden.
Sterbe ich, wenn ich hier bleibe? Wenn alles verklingt, ist dann irgendwann einmal alles verklungen? Ist das dann das Sterben? Kann man auf diese Art Selbstmord begehen? Einfach hier bleiben, bis man tot ist? Macht man sich schuldig dem Schöpfer gegenüber, wenn man bleibt? So lange, bis einfach kein neuer Ton mehr kommt? Bis alles sich zu Ende dreht? Bleiben! Ein schöner Tod, könnte ich mir vorstellen. Mir ist heute nicht nach heulen. Heulen ist auch nur so ein Nichtsterben. Bleiben mag der Schlüssel sein - vielleicht.
Am Ende werde ich dann so eine Vivian. Wiedergeboren und zwei Jahrzehnte diese Stimme in den Ohren. Vivian, komm sofort her. Vivian dies, Vivian das. Scheiße. Das nun wohl doch nicht. Dieses Drecks-Mist-Sterben könnte einen in eine noch größere...
Also von daher bin ich mit meinem Klebetopf gut weggekommen. Das nenne ich Trost. Gummihandschuhe, die nicht mehr im Kopf sind, kann es doch eigentlich nicht geben. Trotzdem, so scheint es mir, sind sie weg. Das sind feine Gedanken. Ganz, ganz feine Gedanken. Ein Himmel ohne Gott. Dieses "ohne Gott" ist ganz schön groß in so einem Himmel ohne Gott. Mit Jacke wäre es nicht so kalt. Ein Hartwurstbrot? Salamibrot muss es wohl heißen. Büchsenmilch sagt man auch nicht mehr und von einer guten Tasse echten Bohnenkaffees...
Himmel und Hölle wurde gespielt in dieser Guten-Tasse-Echter-Bohnenkaffee-Welt. Ich glaube, mir war das immer schon zu blöd, aber ich bin gehüpft. Damals wie heute. Und Gummitwist und Hagebuttentee und B-Brot und Schnelzgummi-Schießen auf Joghurtbecher. Hüpf, hüpf, hüpf. Armes Häschen bist du krank, dass du nicht mehr hüpfen kannst? Häschen hüpf, Häschen hüpf, Häschen hüpf.
Die vielen Versuche, das Hüpfen zu beenden, müssen als gescheitert angesehen werden. Es hüpft einfach weiter, dieses Häschen, ob es mir nun davor graut oder nicht.
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Aus dem Buch "Kartschevco"" von Patrick Aigner
Link zum Buch bei Amazon: Kartschevco
PS: Gabi Palm (früher als "Herz" hier im Forum) hat in der aktuellen Connection (5-6/2013) auch eine Rezension dazu geschrieben...